Durchhalten oder loslassen – Resilienz für Kinder
Ich kann nicht mehr!
„Ich will keine Hausaufgaben machen!“ „Ich will nicht in die Schule“ „Ich halte das nicht mehr aus.“ „Ich kann nicht.“ „Ich will die neuen Leute nicht kennen lernen.“ „Ich will die Prüfung nicht machen.“ „Ich habe keine Lust auf Sport.“
Solchen und ähnlichen Aussagen unserer Kinder begegnen wir jeden Tag. Oft reagieren wir darauf nur wie im Autopilot – vielleicht antworten wir sogar so, wie es damals unsere Eltern bei uns taten. Wir versuchen, die Situation gut „über die Bühne“ zu bekommen, den Konflikt zu beenden. Unser erster Eindruck mag sogar sein, dass die Kinder nur rebellieren möchten und wir versuchen, irgendwie die Kontrolle zu behalten.
Wir antworten:
„Tja, du musst aber.“ „Das Leben ist eben nicht immer nur das, worauf man Lust hat.“ „Tut mir leid, da musst du durch.“ „Nein gibt’s hier nicht.“ „Ich musste das damals auch machen. Das ist ganz normal.“
Innerlich schwanken viele Eltern wie ein Strohhalm hin und her zwischen vermeintlicher Empathie dem Kind gegenüber, einem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Druck und den eigenen Schuldgefühlen: Man kennt das ja. Wie oft denken wir als Erwachsene nicht auch: „Ich wünschte, ich müsste so nicht mehr leben. Unerträglich. So ein Mist.“
Doch worum geht es wirklich? Viele Kinder – und auch Eltern fragen sich in solchen Momenten: Was ist hier los? Ist es der innere Schweinehund, den es zu überwinden gilt? Muss man da einfach durch, muss man Dinge tun, die man nicht will, geht es nur um Lust oder Unlust? An welchen Stellen ist es wichtig, dem Kind (und sich selbst) zuzuhören und einem Nein stattzugeben, und wo ist es an der Tagesordnung, durchzuhalten und einer unangenehmen Situation nicht auszuweichen?
Druck oder Herausforderung
Der Knackpunkt liegt in der Bewertung der Situation. Dazu müssen viele verschiedene Aspekte des Zusammenspiels mit einbezogen werden:
- In welcher Wachstumsphase befindet sich das Kind?
- Ist dieser Zustand dauerhaft, wiederholt er sich?
- Worum geht es wirklich? Möchte das Kind nur morgens nicht aufstehen oder hat es Angst vor etwas? Ist der Widerstand emotionaler Natur oder geht es um ein oberflächlicheres Vergnügungsprinzip?
- Kann das Kind an der Situation wachsen und reifen – oder ist es einem Druck ausgesetzt, der es in seiner Persönlichkeit kleiner macht und niederdrückt?
Nicht nur bei Kindern, auch bei uns selbst stellt sich immer wieder die Frage: Was wird geschehen, wenn ich durchgehalten habe? Welches Ergebnis kommt dabei heraus? Dient mir das, wofür ich mich nun durch das Nadelöhr bugsiert habe? Oder halte ich nur durch, um einer bestimmten Norm entsprechen zu können? Will ich selbst wirklich dieses Ziel erreichen? Oder, wenn Eltern für ihre Kinder mit denken:
Dient dieser innere Kampf dem Wachstum meines Kindes? Kann ich es ermutigen, unterstützen? Oder quält es sich zugunsten eines Konzeptes, welches vielleicht gar nicht zu uns passt?
In diesem Prozess kann es helfen, die eigenen Schuldgefühle näher zu untersuchen, die aufgrund nicht erfüllter Erwartungen an sich selbst oder durch andere entstanden sind. Wem gegenüber fühle ich mich schuldig? Was meine ich, versäumt zu haben? Wer hätte etwas davon, wenn ich diese Situation durch stehe? Spüre ich, dass ich innerlich größer werden würde? Oder presst sich alles in mir zusammen?
Wenn wir als Erwachsene selbst herausgefunden haben, was mit uns los ist und diese Empfindungen vom Erleben des Kindes zunächst getrennt haben, können wir mit Einfühlungsvermögen und Empathie dem Widerstand des Kindes begegnen. Wir spüren, ob es seine Grenzen austestet oder ob es nötig ist, dass wir für es einstehen und sein Nein bestärken.
Werte helfen weiter
Um als Familie einen klaren Standpunkt gegenüber Herausforderungen zu finden, denen wir uns stellen wollen, ist es gut, über eine gemeinsame gesunde Wertebasis zu verfügen. Kinder brauchen unsere Werte, unsere innere Klarheit und einen deutlichen Standpunkt. Sie wollen und müssen sich daran aufreiben und spiegeln. So können sie übernehmen, was ihnen Kraft gibt und ablehnen, was nicht zu ihnen passt.
Wenn wir als Eltern keine Werte vertreten und hin und her schwanken, finden die Kinder keinen Orientierungspunkt.
Mithilfe unserer Werte können wir unseren Kindern bei der Überquerung von Hürden eine begleitende Hand reichen. Wir können Ausblick bieten und die intrinsische Motivation der Kinder ansprechen, durchzuhalten – oder eben bei ihrem Nein zu bleiben. Es ist wichtig, dass Kinder lernen, Herausforderungen zu begegnen und daraus reifer hervor zu gehen, indem sie sie meistern. Doch dies ist nur möglich, wenn sie ein Gespür für das „Wozu?“ erhalten. Je nach Alter der Kinder können sie dies nicht bewusst forcieren und sich damit motivieren, doch dies können die Eltern für sie übernehmen: Die Kinder spüren dann unerklärlich die klare Haltung der Familie, der sozialen Gruppe und erfahren Ermutigung durch die Herausforderung hindurch.
Druck entsteht, wenn ein Mensch etwas tun muss, das seinem tiefsten Wesen widerspricht und dessen Bedeutung ihm keinen Mehrwert verschafft. Wenn zudem die Integrität des Menschen durch eine Anforderung verletzt wird, ist die Herausforderung kein gesundes Wachstumsumfeld mehr, sondern ein schädigendes Umfeld.
Werte, an denen wir uns orientieren können, sagen: Darum kannst du in dieser Situation bleiben und sie beeinflussen. Du bist wichtig. Dieser Moment ist eine Chance und dient deinem Lebensweg. Du musst niemandem etwas beweisen. Vielmehr geht es darum, aufgrund deiner Identität als Mensch zu handeln, der es sich wert ist, in Treue zu sich selbst zu bestehen.
Hinterfragen
Zu guter letzt stehen wir in der Verantwortung, unsere Werte immer wieder zu hinterfragen: Dienen sie noch der nächsten Generation? Gilt es, etwas los zu lassen, das uns vielleicht damals diente, heute aber obsolet geworden ist? Möchten wir selbst mit unseren Kindern mitwachsen und ihr Nein als Gelegenheit nehmen, selbst eine Herausforderung anzunehmen? Wie können wir mit unseren Kindern in Verbindung bleiben, so dass sie fähig werden, Herausforderungen als solche zu erkennen und Druckmomente, die uns nicht gut tun, durch eine klare Haltung zu entlarven?
Resilienz entsteht, wenn Herausforderungen gemeistert werden, die zu uns gehören und zu uns passen. Jeder Mensch hat darin sein eigenes Spielfeld und wir dürfen uns immer wieder daran erinnern, dass nicht jeder den selben Hürden gegenüber steht, wie wir. Auch Kinder untereinander dürfen dies bereits erkennen lernen. So entsteht eine starke Gemeinschaft, die die Individualität als ebenso wichtig erkennt, wie die Anpassungsfähigkeit durch eine gesunde Reibung und persönliches Wachstum.
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AUTORIN: SARAH ACKER
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