Verbundenheit im größeren Bild
Montag morgen, 7 Uhr. Ich bin gerade aufgewacht, keine dreissig Sekunden später sitzt mein Sohn mitten in meinem Bett und beginnt, ohne Unterlass zu reden. Ich antworte mechanisch und schaue aus dem Fenster. Kann an nichts anderes denken, als an Stille und Kaffee.
Meinem persönlichen Rhythmus entspricht es überhaupt nicht, morgens direkt mit Leben überhäuft zu werden. Eigentlich brauche ich mindestens eine Stunde Zeit für mich, um in Ruhe in den Tag zu starten und dann entspannt auf die Bedürfnisse anderer eingehen zu können. Wenn ich ehrlich bin, dauert es eigentlich noch länger.
Aber zwei bis drei Stunden jeden Morgen nur für mich, unter der Woche? Das erlauben wir uns in unserer Gesellschaft nicht einmal, wenn wir keine Kinder haben.
Ich war vor einigen Monaten bei einem befreundeten Künstlerpaar zu Besuch. Wir fanden uns um 10 Uhr am Vormittag am Küchentisch ein, frühstückten bis mittags und unterhielten uns im Schein der Frühlingssonne darüber, wo wir am Nachmittag spazieren gehen wollten.
Irgendwann äußerte ich verblüfft über diese entspannte Herangehensweise:
„Sagt mal, habt ihr gerade Urlaub, oder lebt ihr immer so?“
Verständnislos und beinahe belustigt sahen die beiden mich an und sagten:
„Nein, Sarah, kein Urlaub. Das ist unser Leben.“
Inne halten
Vor diesem Hintergrund stelle ich es mir recht einfach vor, immer in der eigenen Mitte zu bleiben und aus der inneren Kraft zu schöpfen. Doch auch wer augenscheinlich das entspannteste Leben im Aussen führt, kämpft im Inneren oft den selben Kampf- das ist auch bei meinem befreundeten Paar so. Lassen wir uns nicht dem Gedanken auf den Leim gehen, dass andere es besser haben, weil ihre Situation anders ist.
Wie kann ich nun in mir ruhen, wenn mein Alltag von morgens bis abends sehr selten meinem natürlichen Biorhythmus und meinen Bedürfnissen entspricht? Wie ist es möglich, Kraft von diesem Ort zu empfangen, dem nicht nur Kraft, sondern auch Leidenschaft, Freude, Frieden, Frustrationstoleranz und der Glaube für neue und große Träume entspringt?
Ich atme ein
ich atme aus
fühle tief in mich hinein
bewege mich hinaus
in die Wildnis des größeren Zusammenhangs.
Dieses unbekannte Große ist
was uns alle zusammenhält.
Wie sollten wir morgens noch aufstehen
wenn wir nicht wissen, dass was wir tun
einen tieferen Sinn ergibt?
Und ist es nicht so, dass Taten ohne Sinn uns die Kraft rauben?
Darum erinnere ich mich täglich daran,
dass mein Leben
- erstens -
nie so bleiben muss, wie es ist, wenn es mir nicht gefällt
wenn es nicht wirklich und zutiefst in jeder Faser das Meine ist.
Ich sitze am Steuer und habe die Rechte an meinem Alltag.
Es mag manchmal weh tun,
doch beim Einatmen spüre ich, was in mir ist
und kann es bewegen und verändern.
- zweitens -
Teil eines größeren Bildes ist.
Wenn ich die mächtige Krone eines Baums über mir sehe
oder beim Yoga die Ströme des Lebens durch mich fließen
bleibe ich ohne jeden Zweifel staunend still
im Angesicht der Tiefe, die jeder Atemzug, jede Chance eines neuen Tages
jede echte Begegnung mit sich trägt.
Tiefer, weiter höher
Da ist ein Zauber hinter all dem Alltäglichen
das Unaussprechliche
das uns aufhorchen lässt.
War da nicht gerade ein Lied in mir? Ein Bild? Eine kurze Ahnung, ein Gefühl?
Dieses Muster berührt mich, und sieh doch, jene Farbe. Der Klang in dieser Stimme... was ist das? Es spricht tiefere Kammern meiner Seele an.
Das größere Ganze wurde berührt.
Und schon habe ich wieder Kraft
dem Alltag etwas leichter zu begegnen.
Es geht um mehr als einen hippen Lifestyle, sich durch einen bestimmten Stil einer kulturellen Welle zugehörig zu machen oder einem Trend zu folgen. All das ist nur kindliche Spielerei, an der wir Freude haben dürfen.
Doch es wird uns nicht erfüllen, selbst wenn wir bis ins kleinste Detail hinein einen Alltag hätten, der pure Entspannung oder Abenteuer bedeutet, je nach unseren Vorlieben.
Da ist mehr.
An manchen Tagen kann ich es spüren, es scheint überall.
Wenn ich lerne, mich nach dieser inneren Wahrnehmung auszurichten, geschieht das Wunder der täglichen Kraft. Ich bin angeschlossen an das Unaussprechliche, dem wir Menschen so viele unterschiedliche Namen geben. Es bedeutet unser Leben
und wenn wir ehrlich sind, wissen wir das.
Unser Leben macht einen Unterschied. Jeder bewusste Atemzug lässt es spüren.
Jede sanfte Geste, jeder aufrichtige Augenkontakt. Hier will ich sein.
Von hier aus bin ich stark- selbst in Schwachheit.
Das möchte ich meinen Kindern weitergeben:
Entscheide dich frei für ein Leben, das du dir wünschst -
doch bleibe ausgerichtet auf die Quelle, aus der dieses Leben entspringt.
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AUTORIN: SARAH ACKER
Foto©: Sarah Acker; www.diaryfruits.com
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